Das Renaissanceschloß Scharnstein im Almtal

 

Sitz der Herrschaft Scharnstein war ursprünglich die mittelalterliche Burg, hoch über dem Thiessenbachtal, am rechten Ufer der Alm gelegen.Die kaiserliche Lehensherrschaft hatte wechselnde Inhaber, so im 16. Jahrhundert die Fernberger. Die Vermehrung der herrschaftlichen Verwaltungsaufgaben und ein Brand in einem Trakt der Burg ließen immer mehr die Notwendigkeiten eines zeitgemäßen und leicht erreichbaren Sitzes der Grundherrschaft und des Landgerichtes erkennen und so wurde nach 1538 ein neues Pfleghaus auf einer Anhöhe über dem linken Ufer der Alm errichtet. Man nannte das neue Objekt und den Platz „Schafferleithen“, also die Böschung („Leiten“)wo der herrschaftliche „Schaffer“ (Pfleger) seinen Sitz hatte.

Im Jahre 1584 erwarb Hermhardt von Jörger die Herrschaft Scharnstein als „Freies Eigen“, d. h. er war nicht mehr Lehensinhaber sondern Eigentümer. Jörger war als kaiserlicher Hofkammerpräsident (ähnlich einem Finanzminister) auch persönlich ein hervorragender Wirtschafter und Inhaber zahlreicher sehr lukrativer Grundherrschaften. An Scharnstein verlockte ihn einerseits das ungeheure Grundausmaß (etwa die heutigen Gemeinden Grünau und Scharnstein zusammen), der reiche Hochwild- und Fischbestand (Almsee) sowie die Nutzungsmöglichkeit des Flusses Alm zur Holzbringung und als Antrieb für geplante Hammerschmieden.

Helmhard Jörger investierte aber nur wenig in die mächtige desolate Burganlage, er begann vielmehr mit der Errichtung eines neuen Schlosses auf der Schafferleiten, das man später „Neuscharnstein“ nannte.Neben der Errichtung eines prächtigen „Herrenhauses“ entstanden auch Maierhöfe, Tavernen und ein Brauhaus sowie die Hämmer an der Alm, die Waffen und Geräte (Sensen) schmiedeten. Helmhard erlebte jedoch die Verwirklichung seiner Projekte nicht mehr, erst sein ältester Sohn Georg Wilhelm konnte den Bau des Schlosses abschließen.

Die Gattin Georg Wilhelms stammte aus dem Hause der Grafen Polheim von Parz und so wurde an den meisten der bemalten Holzdecken, in Stuck und Stein und auf den Sekkobemalungen der Gewölbe das Allianzwappen der Jörger und der Polheim von Parz angebracht. Der Abschluß der Bauerarbeiten des Schlosses kann mit 1606 angenommen werden, zu dieser Zeit dürfte Scharnstein eines der reichst ausgestattetsten Renaissancebauten des Landes gewesen sein.

Als Georg Wilhelm verstarb, trat sein jüngerer Bruder, Karl von Jörger, sein Erbe an und wurde Inhaber der Herrschaft Scharnstein, die in der Zwischenzeit auch mit Pernstein im Kremstal vereint war. Karl Jörger galt, wie auch sein Vater Helmhard, als kompromißloser Vertreter des Protestantismus und der Reformation. Die einsetzende Gegenreformation und die Haltung des Landesfürsten und späteren Kaisers Ferdinand II. ließen ihn in die Reihen des rebellischen Adels treten und sich am „Adelsaufstand“ der Jahre 1618 -19 beteiligen. Als Kommandant der rebellischen „Marchlandtruppen“ wird Karl Jörger von der kaiserlichen Armee besiegt, flüchtet und stirbt nach seiner Festnahme in Kerkerhaft in Passau. Seine Witwe bleibt noch mit den Kindern in Scharnstein, bis sie das Schloß verlassen muß und in das protestantische Frankenland zieht. Die Zeit der Jörger ist damit für Scharnstein zu Ende gegangen.

Der Kaiser findet nun in der Person des Abtes von Kremsmünster und Erzbischofes von Wien, Anton Wolfradt einen Käufer für die requirierte Herrschaft, Scharnstein wird 1625 dem Stift Kremsmünster einverleibt. War das Schloß unter den Jörgern Treffpunkt politischer und gesellschaftlicher Repräsentanten des Protestantismus gewesen, wurden diese nun durch Vertreter des Katholizismus abgelöst. Scharnstein wurde zum Ausgangspunkt großer Jagden und gesellschaftlicher Ereignisse voll barocken Gepränges.

Der josephinische Zeitgeist hielt jedoch bald Einzug in den prunkvollen Bau und beendete die weltlichen Feste im Schloß. 1787 wurden manche der prächtigen Holzplafonds durch tieferliegende Unterzüge verdeckt, die Gewölbebemalungen übertüncht und die Prunksäle im obersten Geschoß geschlossen. Einige Jahre später, im Jahre 1800 erfolgte bereits der nächste Eingriff. Für die Ausstattung der Franzensburg in Laxenburg wurden aus Scharnstein zahlreiche Ausstattungselemente, wie Türen und Decken sowie die Deckengemälde des kleinen Saales genommen.

Nach der Auflösung der Grundherrschaften 1848 hatte das Schloß auch seine Funktion als Verwaltungszentrum verloren. Man installierte Forstkanzleien und Personalwohnungen in so manchem der unterteilten Prunkräumen. Im Jahre 1878 erfolgte schließlich ein weiterer, schwerwiegender Eingriff in die künstlerische Ausstattung des Schlosses. Man entfernte Holzdecken, brach die Marmorportale und Kamine aus den Mauern des großen Saales, riß die schmiedeeisenen Fensterkörbe aus den Verankerungen und baute den Brunnen zwischen den alten Linden im Schloßhof ab. All diese Objekte wurden zum Ausbau des Landschlosses Ort bei Gmunden gebracht, wo sie sich großteils noch heute befinden. Schließlich erfolgte 1903 der letzte große Eingriff in die historische Bausubstanz.

Die Schloßkapelle wurde zu einer Wohnung unterteilt, aus dem ebenfalls geteilten Gerichtssaal entstand eine Kapelle im Stil der Jahrhundertwende, die Ziegelpflasterung der großen Halle mit Betonestrich überdeckt, die verbliebenen Holzdecken abgedeckt, Senkgruben angelegt und Fallklosetts in die Gewölbe gestellt. Die renaissancezeitlichen Fenster der Sockelzone wurden ausgebrochen, das Südtor vermauert und die verbliebenen wertvollen Fajance-Kachelöfen zerschlagen und als Beschüttung verwendet. All dies diente der Umwidmung des Schlosses in ein Mietwohnhaus, das bald 30 Wohneinheiten mit mehr als 70 Bewohnern enthielt. Die wirtschaftliche Not der Zwischenkriegszeit ließ aus dem Schloß immer mehr ein „Armenhaus des Almtales“ werden, an dem auch eine improvisierte Elektrifizierung mancher Trakte nichts ändern konnte.

Zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich und der Enteignung des Kremsmünsterer Stiftsbesitzes wurden Pläne zur Errichtung eines NSDAP Parteiheimes im Schloß erstellt, die jedoch durch den Kriegsbeginn nicht mehr verwirklicht wurden. Bald quartierte man zahlreiche Flüchtlingsfamilien in die noch leeren Räume und es wurde eine Schuhabgabestelle für die Zivilbevölkerung eingerichtet. Auch der NSV Kindergarten fand in einem Raum Platz. Zu Kriegsende wurden schließlich rund 200 ungarische Soldaten und Flüchtlinge im Obergeschoß des Haupttraktes interniert, die unter unbeschreiblichen Verhältnissen auf Strohlagern untergebracht waren. Zur notwendigen Beheizung dienten Türen, Fensterrahmen und Fußböden.

Mehrmalige Überlegungen der öffentlichen Hand, einen Abriß des Schlosses zu erreichen, scheiterten in den Nachkriegsjahren immer wieder an der Anwesenheit der zahlreichen Mietparteien, da in der Region noch akuter Mangel an Wohnraum herrschte. Auch der Versuch eines Verkaufes oder der Übergabe an die Diözese scheiterten an den desolaten Verhältnissen und dem bestehenden Mietbestand.

Erst 1967 änderte sich die Situation. Mag. Harald Seyrl erwarb unter größten persönlichen und finanziellen Opfern das desolate Schloß vom Stift Kremsmünster und setzte die ersten Schritte zu einer Rettung der historischen Substanz und eine neuen Widmung der Anlage. Konzerte und Ausstellungen im notdürftig adaptierten Obergeschoß sollten der Bevölkerung die Wertigkeit des Bauwerkes vor Augen führen und bildeten so auch eine Veränderung in der öffentlichen Meinung.
Die Freilegung der ersten, erbauungszeitlich bemalten, Holzdecken sowie von Teilen der Sekkobemalungen ließen erstmals das Schloß Scharnstein als schützenswertes historisches Denkmal erkennen. 1970 konnte Seyrl den damaligen Direktor des oö. Landesmuseums Dr. Wilhelm Freh gewinnen, seinen Plan für eine museale Nutzung der langsam von Mietparteien frei werdenden Räume zu unterstützen und so konnte bereits 1973 in einigen ebenerdigen Gewölben des Schlosses ein „Strafrechtsmuseum“ eröffnet werden.

Seyrl stellte dann 1976 für ein Jahr das gesamte Objekt dem Land Oberösterreich für die Durchführung der Landesausstellung „Der oberösterr. Bauernkrieg 1626“ zur Verfügung, wobei der Veranstalter auch notwendige und wertvolle Adaptierungsarbeiten durchführte. Sonderausstellungen des Museums für Völkerkunde oder des Naturhistorischen Museums folgten, bis 1980 eine wesentliche Erweiterung des kleinen Strafrechtsmuseums in räumlicher und thematischer Hinsicht möglich war.Nicht nur das mittelalterliche Strafrecht, auch die Entwicklung des Sicherheitswesens, die Möglichkeiten der Kriminalistik und die Formen der Kriminalität wurden Thema dieses neuen Museums, das unter der Bezeichnung „Österreichisches Kriminalmuseum“ geführt wird. Der bekannte Gerichtsmediziner und Freund des Hauses, Univ. Prof. Dr. Klaus Jarosch hat hier wesentliche und dankenswerte Denkanstöße gegeben. 1982 entstand über Initiative von Univ. Prof. Dr. Wolfgang Zagler und der Salzburger Professoren Dr. Putzer und Dr. Hauptmann im Schloß das Institut für Historische Kriminologie, das hervorragende wissenschaftliche Persönlichkeiten immer wieder nach Scharnstein führt.

Trotz des Ausbleibens jeglicher Unterstützung durch die öffentliche Hand zwischen 1978 und 2000 konnte in den folgenden zwei Jahrzehnten nicht nur die Sanierung der großen Bausubstanz weitergeführt werden, sondern auch eine weitere museale Einrichtung von großer Bedeutung geschaffen werden.In einem ganzen Stockwerk des Hauptgebäudes entstand so auf mehr als 800 m2 das Museum für Österreichische Zeitgeschichte, in dem an Hand von interessantesten Objekten die Geschichte Österreichs des 20. Jahrhunderts nachvollzogen wird. Die Bewältigung der gewaltigen Aufgaben in diesen Jahren wäre ohne der umfassenden Mitarbeit der Gattin des Schloßbesitzers, Dr. Regina Seyrl-Norman nicht möglich gewesen. Die seit Jahrzehnten

bestehende, freundschaftliche Verbundenheit zwischen dem Landesgendarmeriekommando Oberösterreich und der Familie Seyrl führte schließlich 1998 zu einer Initiative des Landesgendarmeriekommandanten Brigadier Manfred Schmidbauer, unterstützt von seinem damaligen Stellvertreters Oberst Berthold Garstenauer, doch im Rahmen des Kriminalmuseums ein Oberösterreichisches Gendarmeriemuseum einzurichten. Bereits 1999 konnte dieser kulturgeschichtlich ebenso wichtige wie auch interessante Bereich fertiggestellt werden, wobei der motivierten Tatbereitschaft der genannten Gendarmerieoffiziere höchste und dankbare Anerkennung zu zollen ist.

Durch die 2001 erfolgte Neuverpachtung der stilvollen Schloßtaverne und den noch laufenden Ausbau von Gästezimmern konnten weitere wichtige Schritte im Hinblick auf eine sinnvolle Widmung des Schlosses gesetzt werden. Schloß Scharnstein wird im Sinne seines Eigentümers auch immer mehr zum Begegnungsort von Menschen unserer Tage, von Künstlern und Wissenschaftlern, von Politikern und Meinungsträgern.

Mag. Harald Seyrl und seine Gattin Dr. Regina Seyrl sehen ihre Aufgabe und Verpflichtung in dem Ziel, dieses schon fast zerstörte Kulturdenkmal Schloß Scharnstein nicht nur ihren Kindern Marie-Elisabeth und Anna sondern darüber hinaus auch der ganzen kulturverbundenen Öffentlichkeit und den kommenden Generationen zu erhalten.